6. August 1999

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Scharfes Verbot aller Geburtstagsfeiern für den Dalai Lama

Das Feiern des Geburtstages des Dalai Lama am 6. Juli ist offiziell seit Dezember 1989 verboten, aber in den letzten Jahren versammelten sich Tibeter gewöhnlich in den östlichen Vororten von Lhasa, um zu diesem Anlaß Weihrauch zu verbrennen und Tsampa in die Luft zu werfen. Letzten Monat wurden harte Maßnahmen in der Stadt ergriffen, um diese Zusammenkünfte zu verhindern; die Polizei zerstörte einen Weihrauch-Verbrennungs-Ofen in diesem Stadtteil, der immer zu diesem Anlaß benützt wurde. Seit der Zeit des Siebten Dalai Lama, als hier ein Schrein gebaut wurde, wurde in Karma Garsar in Ost-Lhasa der Geburtstag begangen. Die Stadtbehörde sieht nun vor, an diesem Ort eine neue Grundschule zu errichten.

Am 6. Juli wurden Polizisten vom Public Security Bureau und der PAP um den Vorort Karma Garsar stationiert, um den Tibetern den Zugang zu verwehren. Mehrere Tibeter, die am Geburtstag dorthin gehen wollten, um das Weihrauch-Ritual abzuhalten, wurden einem inoffiziellen Bericht zufolge von dem PSB Personal geschlagen. Ein 60-jähriger Mann wurde an diesem Tag auch schwer mißhandelt, als die Polizei Tsampa in seinem Beutel fand. Mönche von den Klöstern Namgyal und Kundeling in Lhasa, die traditionell diese Geburtstagsfeiern für den Dalai Lama organisierten, wurden mit Verhaftung bedroht, falls es irgendein Zeichen einer Begehung gebe. Es heißt, daß sogar der Verkauf von Tsampa, das üblicherweise für das lhasol Ritual in die Luft geworfen wird, gestoppt wurde.

Die Verantwortlichen wurden eigens versammelt und belehrt, wie sie dieses Jahr in Lhasa mit dem "Trung Lha Yarsol" (Geburtstagsfeier des Dalai Lama) umzugehen haben. Auch hohe Kader der Regionalregierung waren bei dem Meeting anwesend, darunter Guo Jinlong, der zweite Exekutiv-Sekretär des Partei-Komitees der TAR und Nyima Tsering, der zweite Vorsitzende der TAR Regierung. Leiter von verschiedenen Regierungsämtern und Partei-Kader "über der Kreisebene" nahmen ebenfalls teil. Bei dem Treffen, das über Tibet TV am 2. August gesendet wurde, gratulierten die Regierungsvertreter den lokalen Komitees für ihre große Effizienz bei der Verhinderung der "illegalen Trung Lha Yarsol Aktivitäten". Das bewaffnete Polizeikorps Tibets und das PSB wurden besonders gelobt.

Eine Verordnung vom 14. Juli nannte die Gründe für das Verbot der Begehung des Geburtstages des Dalai Lama: Weil das wieder "eine Gelegenheit für die Reaktionäre zum Verteilen von Flugblättern, zur Erhebung der Flagge der Unabhängigkeit und zum Stiften von Chaos sein könnte".

Die Praxis der Geburtstagsfeier stehe in direktem Widerspruch zu der Anti-Dalai-Lama Kampagne in der TAR: "Seit der Dalai Lama ins Ausland floh, hörte er nie in diesen ganzen 40 Jahren auf, seine reaktionären Ziele mit dem politischen Motiv, das Mutterland zu spalten, zu verfolgen. Er hegt immer noch die üble Absicht, das brutale und totalitäre Regime der feudalistischen Herrschaft unter dem Anschein einer geistigen und temporären Regierung wiederzubeleben. Feiern und Gebete für den Dalai bedeuten einen unmittelbaren Widerstand gegen unsere derzeitige Kampagne gegen die Spalterclique des Dalai. Besonders Angehörige der Partei-Komitees und die Massen der Parteimitglieder, Kader, staatliche Arbeiter und solche im Ruhestand müssen einen definitiven und klaren Standpunkt der Opposition gegen den Dalai einnehmen".

Das Dokument behauptet sogar, daß das Geburtstagsritual dem Tourismus schade. "Die Trung Lhasol Praxis fügt der Schaffung eines guten Bildes der Stadt Lhasa immensen Schaden zu. Es fällt mit der wichtigen Tourismus-Saison zusammen, wenn unsere Gäste aus dem In- und Ausland nach Lhasa zu kommen beginnen. Solche Praktiken wie das Hochwerfen von Tsampa und Blockieren des Weges für Passanten stellen ein antisoziales Benehmen dar, das dem guten Eindruck und dem Ruf der Stadt schadet."

1991 wurde ein Tibeter von einem Polizisten erstochen, als die Leute in Lhasa den Geburtstag begingen. Der Vorfall ereignete sich in der Gegend des Tromsikhang Marktes in dem tibetischen Stadtviertel. Ein chin. Jeep-Fahrer hatte gedroht, sein Fahrzeug in eine Gruppe von Tibetern, die Tsampa über ihn geworfen hatten, zu steuern. Eine Einheit von 25 PAP Soldaten eilte herbei und verfolgte die Menge, wobei Pasang Tsering aus Markham, der zu einer Pilgerfahrt nach Lhasa gekommen war, zu Tode gestochen wurde.

Tibeter werfen gewöhnlich Tsampa in die Luft, um glückliche Anlässe zu feiern. Im Dez. 1989 verbot die Stadtverwaltung von Lhasa dieses Ritual, als die Chinesen merkten, daß Tibeter auf diese Weise die Verleihung des Nobelpreises an den Dalai Lama feierten.

Groll über den Besuch des chinesischen Panchen Lama

Die Behörden von Lhasa setzten Tibeter weiter unter Druck, den chinesischen Panchen Lama, Gyaltsen Norbu, zu akzeptieren, nachdem der Junge im Juni nach Tibet kam. Inoffizielle Quellen lassen auf einen weit verbreiteten Unmut über die Anwesenheit des Knaben in Lhasa und Shigatse schließen. Am Tag nach seinem Besuch im Jokhang in Lhasa sollen Tibeter ein Photo des Knaben und die Opfergabe, die er vor einer Statue von Buddha Shakyamuni hingelegt hatte, umgestoßen haben.

Ehe der Junge nach Shigatse gebracht wurde, wurde den Mönchen vom Kloster Tashilhunpo eingeschärft, daß sie nicht nur den chinesisch bestimmten Panchen Lama akzeptieren, sondern auch an ihn glauben müssen. Ob sie es täten oder nicht, wäre ein Beweis ihrer politischen Ansichten und würde bestimmen, ob sie im Kloster bleiben können oder nicht. Auch tibetischen Kadern in der Regionalverwaltung von Shigatse und Schulkindern der Stadt wurde befohlen, den Segen des chinesischen Panchen Lama zu empfangen, womit sie ihre Bejahung des Jungen demonstrieren könnten.

Für den Besuch wurden besondere Stoffdekorationen, die sonst nur für Losar reserviert sind, außen am Jokhang angebracht und ein Spezialbanner, das die Ankunft eines hohen Lamas ankündigt, an dem Dharmarad über der Niederwerfungszone angebracht. Am Abend des 17. Juni fuhren zwei blaue LKW außen am Tempel auf. In einem waren etwa 40 Soldaten mit Maschinengewehren, die sie unter ihren Mänteln zu verstecken versuchten. Der andere brachte etwa 40 Männer in Zivil. Diese Lastwagen wurden von Polizei und Militärfahrzeugen begleitet. Metalldetektoren und Röntgenmaschinen zur Gepäck-Durchleuchtung wurden in den Jokhang gebracht. Die Verkaufsstände vor dem Jokhang wurden vorübergehend entfernt. Am nächsten Morgen, als Gyaltsen Norbu zu seinem ersten Besuch in Tibet seit seiner Inthronisierung 1996 kam, war die Straße von dem Gongkar Flugplatz nach Lhasa von Polizei und Militärfahrzeugen gesäumt.

Diese starken Sicherheitsvorkehrungen lassen schließen, daß die TAR Regierung weiß, wie unpopulär die chinesische Wahl des Panchen Lama bei den Tibetern ist und was für eine Bedrohung dies für die "Stabilität" der Region darstellt. Obwohl der Besuch von Gyaltsen Norbu auch mit den Zweck verfolgt, der Außenwelt den Eindruck zu geben, daß der tibetische Buddhismus floriert, wurde einer Gruppe von westlichen Journalisten während des Besuches des Jungen in Shigatse der Zugang verwehrt. Sie berichteten dann hauptsächlich über die Treue der Tibeter für den vom Dalai Lama ausgewählten 10-jährigen Gendun Choekyi Nyima, der an unbekanntem Ort festgehalten wird.

Wegen der bevorstehenden Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Gründung der VR China am 1. Okt. wurden die Sicherheitsvorkehrungen allerorten verschärft. Es gibt nun Einschränkungen für Tibeter von außerhalb Lhasa, darunter Geschäftsleute, Pilger, Bauern und Nomaden aus verschiedenen Präfekturen der TAR, die Stadt zu betreten. "Diese Feiern sollen zeigen, daß unter der Führung der Kommunistischen Partei die Tibeter glücklich leben und daß es soziale Stabilität und wirtschaftlichen Fortschritt in der Region gibt", heißt es in der Quelle. "Die Reise-Beschränkungen weisen darauf hin, daß die Regierung Tibeter von außerhalb Lhasa verdächtigt und sie für die Haupthindernisse für ihre Pläne hält und meint, sie könnten die Stadt unterwandern und einen Spalt zwischen der Regierung und dem Volk schaffen. Besonders werden jene Tibeter, die in den letzten Jahren im Ausland waren, als potentielle Widersacher der chinesischen Regierung verdächtigt." Tibeter, die Lhasa besuchen wollen, brauchen nun eine schriftliche Genehmigung von ihren lokalen Behörden, die sie an den Checkposts an den Einfallstraßen nach Lhasa vorweisen müssen.

Während vor allem Tibeter von diesen Restriktionen in der freien Bewegung betroffen sind, hatten auch einige ausländische Besucher Probleme während der neulichen Feiern zum 40. Jahrestag der "demokratischen Reform" der Region, in der Stadt herumzufahren. Die Bewegungen von Touristen in Lhasa und den umliegenden Gegenden wurden streng kontrolliert, besonders vom 14. bis 16. Juli, als die China TV Künstlertruppe vor dem Potala auftrat. Viele Militärfahrzeuge seien auf den Straßen gewesen und mindestens vier Wagen mit bewaffnetem Personal vor dem Potala. Der australische Senator der Grünen Partei, Bob Brown, der am 15. Juli in Lhasa war, sagte, daß er drei Konvois von Militärfahrzeugen auf seinem Weg in die Stadt sah: "In Lhasa ist eine riesige Militärpräsenz. In den Straßen der Stadt sahen wir viele Militärlastwagen. Ein jeder Tibeter, der irgendwie protestieren wollte, würde innerhalb von Sekunden verhaftet".

Mönche vom 10. März verurteilt

Die zwei Mönche, die am 10. März, dem 40. Jahrestag des Aufstandes in Lhasa, demonstrierten, wurden einer inoffiziellen Quelle zufolge zu 3 und 4 Jahren verurteilt. Ein Photo, das TIN zuging, zeigt zwei junge Mönche, den 16-jährigen Phuntsog Legmon (Laienname Tseten Norbu) und den 21-jährigen Namdrol (Laienname Sonam Choedrak) in gewöhnlichen Kleidern mit Mützen über ihren geschorenen Köpfen in der Nähe des Jokhangs stehen, die sie wohl trugen, um weniger aufzufallen. Den Mönchen von einigen größeren Klöstern war nämlich verboten worden, während dieser Zeit in die Stadt zu kommen, und die Überwachung war sehr intensiv. Die letzten Unabhängigkeitsproteste in der Stadt hatte es Ende der 80er gegeben.

Die zwei Mönche, die aus dem Kloster Taklung in Kreis Toelung nordwestlich von Lhasa sind, betraten den Barkhor am frühen Nachmittag des 10. März. Sie hoben ihre Fäuste in die Luft und begannen "Free Tibet. Tibet ist kein Teil Chinas. Chinesen geht zurück nach China" zu rufen. Innerhalb weniger Augenblicke wurde Phuntsog Legmon festgehalten und zur nahegelegenen Polizeistation geschafft. Namdrol versuchte zuerst wegzulaufen, aber wurde dann gepackt. Die Polizei schlug die beiden Mönche mit Stöcken und Fäusten bei der Festnahme. Ein Kader bei dem Mittleren Volksgerichts von Lhasa stritt ab, daß Phuntsog und Namdrol verurteilt worden sein. "Ich bin sicher, daß wir in den letzten Monaten niemals solch ein Urteil sprachen, wie ihr das behauptet", sagte Zhang Jie in einem Telefongespräch mit der Nachrichtenagentur Associated Press am 27. Juli.

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